Kopien seiner Predigten wurden in ganz Deutschland unter der Hand verteilt. Es waren scharfe Worte, die Bischof Clemens August Graf von Galen im Juli und August 1941 in Münsters Lamberti-Kirche gegen die „Euthanasie“-Verbrechen der Nazis fand. Schülerinnen und Schüler des Gymnasium Canisianum waren die Ersten, die sich in einem „Escape Room“ auf Burg Lüdinghausen mit vereinten Kräften bemühten, durch das Lösen von Rätseln und Aufgaben an diese verbotenen Predigten heranzukommen.

Cani-Jugendliche waren es auch, die sich jetzt in ihrer Aula dazu drei zeithistorische Vorträge anhörten: Im ersten Fall führte die Historikerin Ingrid Lueb in das Leben und Denken des „Löwen von Münster“ ein, den der Papst wegen seines mutigen öffentlichen NS-Widerstands im Februar 1946 zum Kardinal ernannte. Die Referentin sprach von seiner strengen, konservativ-autoritären Erziehung, der Stellungnahmen gegen die kirchenfeindliche nazistische Ideologie und Praxis, seine Probleme als Adliger mit der Weimarer Demokratie („Im Grunde blieb er Monarchist“), aber auch sein Eintreten für die individuellen Grundrechte. Umso erstaunlicher sei es aber auch, dass er gegen die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden keine kritischen Worte gefunden habe.

Michael Kertelge, Pastoralreferent in St. Felizitas und gelernter Historiker, referierte sodann eigene Forschungsergebnisse zum Thema „Euthanasie und Zwangssterilisation“. In den bürokratisch exakt geführten Dokumenten werde die Willkür greifbar, mit der körperlich und geistig irgendwie „auffällige“ Menschen der Zwangssterilisation zugeführt wurden oder in einem Akt der „Eu-thanasie“ (grch. für „schöner Tod“) zu Tode kamen. Die Schülerinnen und Schüler hörten aufmerksam zu, was sich auch an den Fragen zeigte, die sie nachher an den Referenten stellten.

Die Umstände, die Dr. theol. Bernhard Hürfeld und vier andere Lüdinghauser Pädagogen am 16. 9.1943 ins Gestapogefängnis Recklinghausen und fünf Monate später ins KZ Dachau brachten, präsentierte anschließend der ehemalige Cani-Lehrer Karl-Heinz Kocar. Er lieferte einschlägige historische Informationen, z.B. zum Reichskonkordat (Juli 1933), zur Gleichschaltung von Parteien und Gewerkschaften, über die Umwandlung der Landwirtschafts- und Rektoratsschule auf Burg Lüdinghausen in eine „Oberschule“ und die Maßnahmen gegen den Betrieb des „Paedagogium Canisianum“, der privaten Internatsschule von Bernhards Hürfeld, und schließlich über die zur Übernahme des Internatsgebäudes auf der Münsterstraße.

Das Canisianum hatte Wert darauf gelegt, die drei Experten auch vor ihren Jugendlichen referieren zu lassen. Schließlich hatte Dr. Hürfeld nach seiner Heimkehr aus Dachau im November 1945 das Gymnasium Canisianum gegründet.