Krieg, Flucht, Vertreibung, aber auch Hoffnung und Neuanfang sind Schlagwörter, die Generationen von Familienhistorien geprägt haben. Auf die Spuren dieser verborgenen Familiengeschichten begab sich nun ein Oberstufenkurs Geschichte des Gymnasium Canisianum unter der Anleitung von Geschichtslehrer Daniel Tatz. Von Relikten aus der Zeit des Nationalsozialismus wie Offiziersdolch und Eisernes Kreuz, Kult-Motorrädern aus der DDR bis hin zu Stücken aus aktuellen Fluchtgeschichten wie dem syrischen Bürgerkrieg wurde eine ganze Bandbreite von Themen intensiv aufgearbeitet und in einen größeren historischen Kontext gesetzt. Dabei wurde bewusst nicht nur die familiäre Herkunft, sondern auch die sozialen und gesellschaftlichen Umstände jener Zeit beleuchtet. Das Ergebnis von mehr als einem halben Schuljahr Arbeit präsentierten die Schülerinnen und Schüler nun in einer gemeinsam kuratierten Ausstellung der Schulgemeinde.
Nils Wurfmann, der sich intensiv mit den Tagebucheinträgen seines Urgroßvaters, eines ehemaligen Wehrmachtssoldaten, auseinandergesetzt hat, berichtet, wie die Arbeit mit den Schriftquellen auch sein eigenes Verständnis von Geschichte nachhaltig geprägt hat: „Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß in der Geschichte. Mein Großvater war das ideale Beispiel. Vom überzeugten Nationalsozialisten zu einem Offizier, der sich aus Unzufriedenheit illegalerweise selbst aus dem Kriegsdienst entließ. Weiter resümiert er: „Es lassen sich viele Parallelen zur Gegenwart ziehen. Geschichte kann uns eine Lehre sein.“
Einmütig erläutern die Schüler*innen, wie ihnen das Projekt den wiederkehrenden Charakter von Geschichte verdeutlicht hat. Eva Görtelmeyer beschäftigte sich mit der Flucht ihrer Vorfahren aus dem vormals deutschen Schlesien, während Emily Ehlert erforschte, wie ihre Urahnen im 19. Jahrhundert aus Preußen kommend, nach Kanada auswanderten. Maryam Mosa konnte mit einer eigenen, ganz persönlichen Fluchtgeschichte aufwarten. Sie selbst erlebte die Schändlichkeit des Krieges und die Hoffnung auf einen Neuanfang in einem fremden Land, als sie infolge des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2016 nach Deutschland kam. Ebenso spürte sie jedoch auch die Strapazen und Mühen, die mit Flucht und Reintegration verbunden sind. Mit ihren Mitschülern*innen übereinstimmend hielt Sie fest, dass Migration dennoch einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung und dem Abbau von kulturellen Vorurteilen leisten kann. Sie appelliert, wo sich Ursachen und Motive für das Verlassen der vertrauten Umgebung über die Jahrhunderte kaum geändert haben, Krieg und Verfolgung stets zu verurteilen.
Die Zeitzeugen dieser Geschichten leben heute nicht mehr, doch geblieben sind ihre Quellen und Relikte, die noch vielen Generationen von Schülern*innen einen Einblick in die Vergangenheit geben werden. Lehrer Daniel Tatz verbindet damit die Hoffnung, dass seine Schülerinnen und Schüler tief in die Vergangenheit eintauchen und die Phrase „Aus Geschichte lernen“ mit Leben erfüllen.

Jannik Schütte (Q2)